Donnerstag, 19. Februar 2015

Salbei - zauberhaftes Heilkraut


Cur moriatur homo, cui salvia crescit in horte?“ („Warum stirbt der Mensch, wenn Salbei im Garten wächst?“ – Schule von Salerno ca. 14. Jhd.)


Fast unscheinbar wächst bei günstigen Bedingungen manches Mal ein Heilkraut in heimischen Gärten, dessen breites Spektrum vielfältigster Wirkungsweisen heutigentags weitgehend unbekannt scheint. Vergessen ist die Hochschätzung aus alten Zeiten der sommers wie winters mit lanzettlichen, silbergrau bepelzten Blättern ausgestatteten, im Frühsommer sich mit leuchtend blauen Blütenrispen schmückenden Heilpflanze Salvia officinalis,  die der Volksmund mit einer Fülle an phantasiereichen Namen zu bezeichnen wusste, z.B. von Altweiberschmecken, Muskatellerkraut über Sälvel, Salf, Salfat und Salser bis zu Zupfblatteln, Selve, Scharleikraut, Zaffe und Zuffen. Dabei ist der sog. „echte Salbei“ (Salvia officinalis) unter den 800 bis 1100 Salbeiarten in aller Welt jene Heilpflanze, die schon in grauen Vorzeiten von Heilkundigen zu den verschiedensten Therapien eingesetzt wurde.
Nicht nur die Schola Medica Salertinata, die wohl älteste medizinische Lehranstalt des europäischen Mittelalters, rühmte sie mit ihrem bekanntesten Hinweis (siehe oben), sondern auch Griechen und Römer sahen in Salbei eine Pflanze, die Unsterblichkeit bzw. langes Leben verhieß und  - ähnlich der heiligen Mistel der Germanen  - nur von Priestern in weißen Gewändern mit silbernen oder bronzenen Werkzeugen geerntet werden durfte. Steckt doch in ihrem botanischen Namen das lateinische Wort „salvare“ = heilen, was dieses halbstrauchartige Gewächs aus der Familie der Lippenblütler durch die Jahrtausende immer wieder bewiesen hat.  Es sind mit Sicherheit die Inhaltsstoffe dieses „Allrounders“, die so manches Gebrechen lindern können, wie ätherisches Öl, d-Kampfer, Salviol, Salven, Betulin, Asparagin, Bitterstoff, Borneol, Carnosinsäure, Zineol, Flavonoide, Fumarsäure, Gerbstoff, Gerbsäure, Harz, Ledol, Limonen, Menthol, Östrogenartige Stoffe, Oleanolsäure, Pinen, Sabinol, Salizylsäure, Saponine, Terpineol, Thujon, Thymol, Zink, Vitamine, die der Salvia officinalis eine ausgezeichnete antibakterielle, virusstatische, astringierende und fungistatische Wirkung, so dass sie lange Zeit, bevor die pharmazeutische Industrie antivirale Therapeutika entwickelte, die einzige Möglichkeit bot, über 90 % der Viren erfolgreich zu bekämpfen, man kennt daneben auch ihre blutstillende, entzündungshemmende, harntreibende, krampflösende und tonisierende Anwendungsmöglichkeiten, die weit über die üblichen heutigen Anwendungsbereiche wie Schwitzen und Halsschmerzen hinausführen, denn sie kann bei folgenden Leiden eingesetzt werden (in alphabet. Reihenfolge): 
Appetitlosigkeit, Blähungen, Bronchitis, Depressionen, Diabetes (unterstützend bei leichten Fällen) Durchfall, eitrige Geschwüre, Exzeme, Erkältungen, Entzündungen der ableitenden Harnwege, Erysipel, Fußschweiß, Gürtelrose, Gallen- und Gedächtnisschwäche, Gesichtsrose, Gicht, Haarausfall, Hauterkrankungen, Heiserkeit, Hemmung der Milchsekretion, Hitzewallungen, Husten, Insektenstiche, Kehlkopfkatharrh, Keuchhusten, Leber- und Lungenschwäche, Magenbeschwerden, Mandelentzündungen, Menstruationsbeschwerden, Mundgeruch und  Mundschleimhautentzündungen, Nachtschweiss, Nervenschwäche, Nierenentzündungen,  Rachenentzündungen, Raucherhusten, Rheuma, schlecht heilende Wunden, schmerzhaft geschwollene Brüste, starkes Schwitzen, Übergewicht, Verdauungsschwäche, Verstopfung, Wechseljahrsbeschwerden, Weißfluss, Wunden, Zahnfleischbluten und Zahnfleischentzündungen.
Wen wundert es angesichts dieser Vielseitigkeit, dass der Benediktiner und Botaniker Hieronymus Bock im 16. Jhd. dieses Kraut als „bestes teutsches Arzneykraut“ bezeichnete und vermerkte: „Unter allen Stauden ist kaum ein Gewechs über die Salbey, denn es dienet dem Arzte, Koch, Keller, Armen und Reichen“.
Einfach ist sie anzuwenden, die Salvia officinalis, ob getrocknet oder im frischen Zustand, aus etwa 10 kleingeschnittenen Blättern Tee aufbrühen, 3 Tassen über den Tag verteilt trinken, aber nie länger als 3 Wochen, so wird eine Verkehrung  der Wirkungsweise   ins  Gegenteil  verhindert. 

Mag es auch sein, dass alte Zweige absterben, er verjüngt sich jeden Sommer, dehnt sich aus und bietet trotzig dem Winter die Stirn. Dem Zauber eines Salbeibusches im Garten kann sich niemand entziehen, ganz gleich ob er seine Blätter zum Würzen von Speisen oder als wirkungsvolle Arznei zur Verfügung stellt, ob seine blauen Blütenrispen als Bienenweide dienen oder sein Duft über dem Garten liegt wie ein Heilsversprechen. 

Ein Wissen und Empfinden, das Walahfrid Strabo im 9. Jahrhundert schon fast poetisch beschrieb, seine Erwähnung des Salbeis in seinem Buch „Über den Gartenbau“ (De cultura hortorum) gleicht einer Ode:

Leuchtend blühet Salbei ganz vorn am Eingang des Gartens, 
süß von Geruch, voll wirkender Kräfte und heilsam zu trinken. 
manche Gebresten der Menschen zu heilen, erwies sie sich nützlich, 
ewig in grünender Jugend zu stehen hat sie sich verdient. 
Aber sie trägt verderblichen Zwist in sich selbst: denn der Blumen 
Nachwuchs, hemmt man ihn nicht, vernichtet grausam den Stammstrieb, 
lässt gierigem Neid die alten Zweige ersterben






Mittwoch, 18. Februar 2015

Von den Bäumen


In jedem Baum wohnt ein Geist und sein Wohlergehen zu beeinträchtigen, belastet die Stätte mit Unglück (aus Asien).

Da stehen sie und recken ihre Kronen, die Bäume – je nach Art und Wuchs – entweder weit ausgebreitet oder quirlig angesetzt – in den Himmel. Manchmal erinnern sie in ihrer Gesamtheit noch an die Hallen heiliger Haine, die nur noch in Mythen ein Schattendasein führen. Die dichten Buchen- und Eichenwälder, das düstere Dickicht der Nadelgehölze unserer Vorfahren, längst sind sie schon den Nutzwäldern gewichen mit wenigen Enklaven sog. Naturschutzgebiete, in denen jedoch immer öfter in der kalten Jahreszeit das Singen der Sägen den Tod  manches alten Riesen verkündet, der die Welt länger gesehen hat, als die meisten unserer Zeitgenossen. Valet, dahin...

Bäume, sie werden meistens nur noch bemessen nach Ster und Metern, ihrem Wert als Nutzholz, bestenfalls zum Möbelbau, aber eher noch in den Papiermanufakturen oder schlimmstenfalls als  günstiges „Energieholz“, in der Bedeutung, dass das, was ca. 80 Jahre zum Werden und Wachsen gebraucht hat, in wenigen Stunden als Rauch (und Feinstaub wie Kohle) den Schornsteinen entweicht.  Valet, dahin…

Vorbei die Zeiten, in denen am Brunnen vor dem Tore der Lindenbaum stand mit seinen Liebesworten in der Rinde – Romantik ist den kalten Werten in klingender Münze gewichen.  Die Bäume des Lebens und der Erkenntnis blieben allein zurück im Paradies, – der Engel mit dem Flammenschwert ist dem Narren gewichen, der mit blutigen Händen an Kartenhäusern baut – nur ein Windstoß genügt: Valet, dahin…

Wir glauben, erwachsen geworden zu sein und doch muss man sich fragen, ob das Sehen mit Kinderaugen, die die Wälder noch mit Dryaden, Feen undt „den kleinen Leuten“ bevölkerte, manchem Zeitgenossen „Not tut“?  Wer umarmt noch einen Baum, wenn er im „Nordic-Walking-Schritt“ den Wald durchschreitet? Wer presst noch sein Gesicht in die rauhe Rinde eines Baumes  und spürt noch so etwas wie das Unvergängliche, Ewige der Schöpfung in diesen herrlichen Gebilden des 3. Schöpfungstages? Können wir noch schweigend die Natur genießen, das Eichhörnchen in seinen kühnen Flügen zwischen den Baumkronen beobachten oder den eifrigen Buntspecht, der geschäftig an den Baumstämmen auf und nieder eilt, die Rinde nach Essbarem beklopfend? Eifrig schwatzend eilen sie vorüber, die Gruppen, im Klappern der Nordic-Walking-Stöcke – unbemerkt stieben Vögel auf, flüchten Rehe aus ihren Ruhelagern tiefer in den Wald –  Valet, dahin…

Was nützt es Linden, Eichen und Ahornbäumen, in die Wappen von Städten und Ländern aufgenommen zu werden, wenn wir den Unterschied beispielsweise zwischen Winter- und Sommerlinden nicht mehr kennen oder wie Trauben- und Stieleichen zu unterscheiden sind, welche Ahornarten sich in unseren Wäldern finden oder dass die Eichen sogar zu der Familie der Buchen gehören? Was wissen wir noch davon, wie wertvoll die Birken, die heutigentags von manchen Forstleuten als „Unkraut“ bezeichnet werden, für unsere Vorfahren waren? Nicht nur das „Birkenleder“ für Schuhe und Taschen, die antiseptische Wirksamkeit von Dosen für Brot und Mehl  aus Birkenholz, der entwässernden Wirkung von Tees aus Birkenblättern, Abdichtungen mit Birkenpech und auch, der Möglichkeit, die weiße Rinde unter der schwarz-weißen äußeren rauhen Rinde, als eine Art Nudelgericht zuzubereiten? Valet, dahin…

Ein Unbekannter meinte: „Du lernst den Baum erst kennen, wenn du dich an ihn lehnen willst“. Zu wenige möchten sich offenbar noch an einen Baum lehnen, obwohl „die Bäume offenbar vernünftiger sind als wir, sie streben immer nach dem Licht“ (© Anke Maggauer-Kirsche) und auch die Tatsache, dass „Bäume etwas Wesentliches gelernt haben, nur wer einen festen Stand hat und trotzdem beweglich ist, überlebt starke Stürme“ (frei nach Anke Maggauer-Kirsche), beeindruckt die Geschöpfe mit ihrem unsäglichen Vermehrungserfolg (65 % der Lebewesen dieses Planeten) kaum und so geschieht es, dass (nach Ahiquar, 8. Jhdt. v. Chr.) „der Stiel der Axt sich gegen den Wald kehrt, aus dem sie kommt“. Ungeachtet dessen, dass „Bäume Gedichte sind, die die Erde in den Himmel schreibt“ (Khalil Gibran), sollten wir uns an Alexander von Humboldt halten und seine Empfehlung:

„Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein großes Wunder und euren Vorfahren war er heilig. Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen von Minderwertigkeit eines Volkes und von niederer Gesinnung des Einzelnen“.