Mittwoch, 18. Februar 2015

Von den Bäumen


In jedem Baum wohnt ein Geist und sein Wohlergehen zu beeinträchtigen, belastet die Stätte mit Unglück (aus Asien).

Da stehen sie und recken ihre Kronen, die Bäume – je nach Art und Wuchs – entweder weit ausgebreitet oder quirlig angesetzt – in den Himmel. Manchmal erinnern sie in ihrer Gesamtheit noch an die Hallen heiliger Haine, die nur noch in Mythen ein Schattendasein führen. Die dichten Buchen- und Eichenwälder, das düstere Dickicht der Nadelgehölze unserer Vorfahren, längst sind sie schon den Nutzwäldern gewichen mit wenigen Enklaven sog. Naturschutzgebiete, in denen jedoch immer öfter in der kalten Jahreszeit das Singen der Sägen den Tod  manches alten Riesen verkündet, der die Welt länger gesehen hat, als die meisten unserer Zeitgenossen. Valet, dahin...

Bäume, sie werden meistens nur noch bemessen nach Ster und Metern, ihrem Wert als Nutzholz, bestenfalls zum Möbelbau, aber eher noch in den Papiermanufakturen oder schlimmstenfalls als  günstiges „Energieholz“, in der Bedeutung, dass das, was ca. 80 Jahre zum Werden und Wachsen gebraucht hat, in wenigen Stunden als Rauch (und Feinstaub wie Kohle) den Schornsteinen entweicht.  Valet, dahin…

Vorbei die Zeiten, in denen am Brunnen vor dem Tore der Lindenbaum stand mit seinen Liebesworten in der Rinde – Romantik ist den kalten Werten in klingender Münze gewichen.  Die Bäume des Lebens und der Erkenntnis blieben allein zurück im Paradies, – der Engel mit dem Flammenschwert ist dem Narren gewichen, der mit blutigen Händen an Kartenhäusern baut – nur ein Windstoß genügt: Valet, dahin…

Wir glauben, erwachsen geworden zu sein und doch muss man sich fragen, ob das Sehen mit Kinderaugen, die die Wälder noch mit Dryaden, Feen undt „den kleinen Leuten“ bevölkerte, manchem Zeitgenossen „Not tut“?  Wer umarmt noch einen Baum, wenn er im „Nordic-Walking-Schritt“ den Wald durchschreitet? Wer presst noch sein Gesicht in die rauhe Rinde eines Baumes  und spürt noch so etwas wie das Unvergängliche, Ewige der Schöpfung in diesen herrlichen Gebilden des 3. Schöpfungstages? Können wir noch schweigend die Natur genießen, das Eichhörnchen in seinen kühnen Flügen zwischen den Baumkronen beobachten oder den eifrigen Buntspecht, der geschäftig an den Baumstämmen auf und nieder eilt, die Rinde nach Essbarem beklopfend? Eifrig schwatzend eilen sie vorüber, die Gruppen, im Klappern der Nordic-Walking-Stöcke – unbemerkt stieben Vögel auf, flüchten Rehe aus ihren Ruhelagern tiefer in den Wald –  Valet, dahin…

Was nützt es Linden, Eichen und Ahornbäumen, in die Wappen von Städten und Ländern aufgenommen zu werden, wenn wir den Unterschied beispielsweise zwischen Winter- und Sommerlinden nicht mehr kennen oder wie Trauben- und Stieleichen zu unterscheiden sind, welche Ahornarten sich in unseren Wäldern finden oder dass die Eichen sogar zu der Familie der Buchen gehören? Was wissen wir noch davon, wie wertvoll die Birken, die heutigentags von manchen Forstleuten als „Unkraut“ bezeichnet werden, für unsere Vorfahren waren? Nicht nur das „Birkenleder“ für Schuhe und Taschen, die antiseptische Wirksamkeit von Dosen für Brot und Mehl  aus Birkenholz, der entwässernden Wirkung von Tees aus Birkenblättern, Abdichtungen mit Birkenpech und auch, der Möglichkeit, die weiße Rinde unter der schwarz-weißen äußeren rauhen Rinde, als eine Art Nudelgericht zuzubereiten? Valet, dahin…

Ein Unbekannter meinte: „Du lernst den Baum erst kennen, wenn du dich an ihn lehnen willst“. Zu wenige möchten sich offenbar noch an einen Baum lehnen, obwohl „die Bäume offenbar vernünftiger sind als wir, sie streben immer nach dem Licht“ (© Anke Maggauer-Kirsche) und auch die Tatsache, dass „Bäume etwas Wesentliches gelernt haben, nur wer einen festen Stand hat und trotzdem beweglich ist, überlebt starke Stürme“ (frei nach Anke Maggauer-Kirsche), beeindruckt die Geschöpfe mit ihrem unsäglichen Vermehrungserfolg (65 % der Lebewesen dieses Planeten) kaum und so geschieht es, dass (nach Ahiquar, 8. Jhdt. v. Chr.) „der Stiel der Axt sich gegen den Wald kehrt, aus dem sie kommt“. Ungeachtet dessen, dass „Bäume Gedichte sind, die die Erde in den Himmel schreibt“ (Khalil Gibran), sollten wir uns an Alexander von Humboldt halten und seine Empfehlung:

„Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein großes Wunder und euren Vorfahren war er heilig. Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen von Minderwertigkeit eines Volkes und von niederer Gesinnung des Einzelnen“. 




2 Kommentare:

  1. Dieser wunderbare Text geht zu Herzen! Die bedenkenlose Haltung von Menschen gegenüber Bäumen ist doch vollends unbegreiflich, mit der sie Bäume einfach "wegräumen", wenn sie "im Weg sind". Oder wenn auf ganzen Gemeindegebieten großflächiger Kahlschlag vorgenommen wird, nur weil in der Nähe ein Bockkäfer gesichtet worden ist - egal, ob die Bäume gesund sind oder nicht. Der geniale Alexander von Humboldt sagt es mit solcher Deutlichkeit, was davon zu halten ist. Unbegreiflich, dass es Leute gibt, denen das völlig egal ist.

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  2. Danke, dieser Meinung bin ich auch. Soviel Kahlschläge wie sie seit 2012 betrieben werden, gab es noch nie. Dass diese Kahlschläge teilweise nicht wieder aufgeforstet werden, ist ein eindeutiger Verstoß gegen das deutsche Waldgesetz.

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